Vergabe eines Auftrags ohne vorherige Veröffentlichung eines Aufrufs zum Wettbewerb im Amtsblatt der Europäischen Union (Erläuterung)
Die Beauftragung der ETCS/ATO-Ausrüstung der S-Bahn-Fahrzeuge der Baureihe BR 490 für das Streckennetz in Hamburg beim Hersteller der Fahrzeuge im Rahmen der 3. Optionsbestellung aus dem am 10.4.2013/17.4.2013/22.5.2013 geschlossenen Vertrag über die Entwicklung, Herstellung und Lieferung von serienreifen Fahrzeugen ist zulässig. Es handelt sich insoweit um eine zulässige Auftragsänderung während der Vertragslaufzeit gemäß § 132 Abs. 2 S. 1 GWB.
Die S-Bahn Hamburg GmbH beauftragt in diesem Fall zusätzliche Lieferleistungen, die erforderlich geworden sind und nicht in den ursprünglichen Vergabeunterlagen vorgesehen waren. Ein Wechsel des Auftragnehmers kann hier weder aus wirtschaftlichen noch aus technischen Gründen erfolgen und wäre sowohl mit erheblichen Schwierigkeiten als auch beträchtlichen Zusatzkosten für die S-Bahn Hamburg GmbH verbunden. Die S-Bahn Hamburg GmbH wäre mit unverhältnismäßigen und damit auch erheblichen Schwierigkeiten konfrontiert, wenn die Entwicklung, Herstellung und Einbau der ETCS/ATO-Ausrüstung eines anderen Unternehmens gleichzeitig mit der Herstellung des Fahrzeugs erbracht werden müsste, so dass eine Trennung der Aufträge aus technischer Sicht unvernünftig wäre und diese Schwierigkeiten nicht durch einfache Abstimmungen beseitigt werden können. Außerdem beauftragt die S-Bahn Hamburg GmbH Leistungen beim Fahrzeughersteller, die aufgrund von Umständen erforderlich geworden sind, die sie im Rahmen Ihrer Sorgfaltspflicht bei der Ausschreibung und Beauftragung des Liefervertrags nicht vorhersehen konnte. Durch die Änderung verändert sich auch der Gesamtcharakter des Liefervertrags nicht, der weiterhin die Herstellung und Lieferung der Fahrzeuge zum Gegenstand hat und lediglich ein Teilsystem des Fahrzeugs anders umsetzt als nach dem ursprünglichen Lastenheft gefordert.
Auch die Ausrüstung der Fahrzeuge der 3. Option mit einem zusätzlichen Mehrzweckbereich im Mittelwagen ist eine zulässig Auftragsänderung während der Vertragslaufzeit. Sie ist bereits deswegen zulässig, da es sich um eine nicht wesentliche Änderung im Sinne des § 132 Abs. 1 GWB handelt. Wesentlich in diesem Sinne sind nur Änderungen, die dazu führen, dass sich der öffentliche Auftrag erheblich von dem ursprünglich vergebenen öffentlichen Auftrag unterscheidet. Hierfür werden in § 132 GWB beispielhaft Merkmale einer wesentlichen Änderung genannt, nämlich solche, die dazu führen, dass
a) mit der Änderung Bedingungen eingeführt werden, die, wenn sie für das ursprüngliche Vergabeverfahren gegolten hätten,
— die Zulassung anderer Bewerber oder Bieter ermöglicht hätten,
— die Annahme eines anderen Angebots ermöglicht hätten oder
— das Interesse weiterer Teilnehmer am Vergabeverfahren geweckt hätten,
b) mit der Änderung das wirtschaftliche Gleichgewicht des öffentlichen Auftrags zugunsten des Auftragnehmers in einer Weise verschoben wird, die im ursprünglichen Auftrag nicht vorgesehen war,
c) mit der Änderung der Umfang des öffentlichen Auftrags erheblich ausgeweitet wird oder
d) ein neuer Auftragnehmer den Auftragnehmer in anderen als den in Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 vorgesehenen Fällen ersetzt.
In diesem Sinne ist die Ausrüstung der Fahrzeuge der 3. Option mit einem zusätzlichen Mehrzweckbereich im Mittelwagen nicht wesentlich.