Vergabe eines Auftrags ohne vorherige Veröffentlichung eines Aufrufs zum Wettbewerb im Amtsblatt der Europäischen Union (Erläuterung)
I. Sachverhalt
1. Zwischen den Auftraggebern und dem Hersteller, der Construcciones y Auxiliar de Ferrocarriles, S.A. (CAF), bestehen aufgrund eines wettbewerblichen, EU-weit bekanntgemachten Vergabeverfahrens ein Fahrzeugliefervertrag, ein Instandhaltungs- und Verfügbarkeitsvertrag sowie ein Rahmenvertrag über die Lieferung, Instandhaltung und Verfügbarkeit von Fahrzeugen zum Einsatz auf SPNV-Strecken in NRW.
2. Die Auftraggeber benötigen zum Einsatz auf weiteren Strecken (Teilnetze 3 und 4) 10 zusätzliche batterieelektrische Fahrzeuge. Hierfür kommen aus mehreren Gründen nur zusätzliche Fahrzeuge der bereits bei CAF beauftragten Fahrzeuge vom Typ "Langtyp" in Betracht:
a) Die Fahrzeuge müssen BEMU-Fahrzeuge sein, da die für den Einsatz vorgesehenen Strecken nicht vollständig elektrifiziert sind. Dieselfahrzeuge scheiden aus ökologischen Gründen aus.
b) Die Fahrzeuge müssen wegen etwaiger späterer Netzzuschnitte "durchtauschbar", d.h. insbesondere baugleich, zu den bereits bestellten Fahrzeugen sein, um für das jeweilige EVU bei Netzzuschnitt eine einheitliche Flotte zu erhalten.
c) Die Fahrzeuge müssen auf den Linien RB 68 und RB 76 ab 12/2025 (Abschluss der Reaktivierung) eingesetzt werden. Binnen dieses Zeitraums kann kein anderer Hersteller Fahrzeuge konstruieren, die baugleich und durchtauschbar zu den bereits bestellten Fahrzeugen sind. Zudem verfügen andere Hersteller nicht über Aufträge von passfähigen Fahrzeugen (76cm Bahnsteighöhe und ca. 160 Sitzplätze).
3. Hauptelement der Auftragserweiterung sind die Lieferung zusätzlicher 10 baugleicher Fahrzeuge vom Typ "Langtyp" sowie die Instandhaltung und Verfügbarkeit dieser Fahrzeuge bei gleichzeitiger proportionaler Erhöhung der Haftungsdeckel und der vom Hersteller beizubringenden Sicherheiten.
Dies konnten die Auftraggeber nicht in der ursprünglichen Ausschreibung vorhersehen. Die Auftraggeber wollten die Fahrzeuge als Teil eines anderen Vergabeverfahrens bestellen. Dieses verzögerte sich wegen Problemen des Infrastrukturbetreibers bei der Elektrifizierung der KBS 2100 (Oberleitungsinfrastruktur Coesfeld) und weiterer notwendiger Elektrifizierungsmaßnahmen.
II. Rechtmäßigkeit
Die Auftraggeber sind der Ansicht, dass der Abschluss der Ergänzungsvereinbarung zur Auftragserweiterung mit den oben dargestellten wesentlichen Inhalten ohne vorherige Veröffentlichung einer Bekanntmachung im Amtsblatt der Europäischen Union zulässig ist und kein erneutes Vergabeverfahren erfordert.
1. Es handelt sich bereits nicht um Änderungen der mit dem Hersteller geschlossenen Verträge, sondern um die Anwendung der vertraglichen (und gesetzlichen) Regelungen. Sowohl der Fahrzeuglieferungsvertrag als auch der Instandhaltungs- und Verfügbarkeitsvertrag sehen umfassende Leistungsänderungsklauseln vor, die auch eine Nachbestellung von Fahrzeugen einschließlich Instandhaltung und Verfügbarkeit dieser Fahrzeuge umfassen.
2. Selbst wenn es sich um Vertragsänderungen handeln würde, wären dies keine wesentlichen Auftragsänderungen i.S.d. § 132 Abs. 1 GWB. Das wirtschaftliche Gleichgewicht der Verträge zwischen den Auftraggebern und dem Hersteller ändert sich nicht. Die Mehrvergütung für die Auftragserweiterung bemisst sich entsprechend der vertraglichen Regelungen nach den nachgewiesenen notwendigen Kosten zzgl. einer vertraglich festgelegten Gewinnmarge.
3. Selbst wenn es wesentliche Auftragsänderungen wären, wären diese hier nach § 132 Abs. 2 S. 1 Nr. 2, 3 GWB zulässig. Aufgrund der technischen Voraussetzungen kommt ein Wechsel des Auftragnehmers weder aus wirtschaftlichen noch aus technischen Gründen in Betracht und dieser wäre - wenn überhaupt möglich - mit erheblichen Schwierigkeiten und Zusatzkosten verbunden. Die Auftraggeber konnten damals auch nicht die Notwendigkeit der Auftragserweiterung vorhersehen (s.o.).
Die Aufgabenträger werden keine ex-post-Bekanntmachung nach § 132 Abs. 5 GWB veröffentlichen.