Beschreibung der Beschaffung
Das Stadtschloss Wiesbaden wurde in den Jahren 1837-41 nach Plänen des Architekten Georg Moller (1784-1852) durch Hofbaumeister Richard Görz (1811-1880) erbaut.
Es gliedert sich als Eckgebäude in eine bestehende Straßenfront ein und signalisiert die zur Erbauungszeit politisch opportune Bürgernähe. Die entlang der Grundstücksgrenzen in einem stumpfen Winkel zueinander angeordneten Flügel des klassizistischen Schlosses treffen in einem zylindrischen Baukörper aufeinander. In der Winkelhalbierenden schließt sich an diesen Baukörper der Diagonalbau mit Haupt- und Nebentreppenhäusern an. Dieser verbindet die "kleine Rotunde" am Schlossplatz mit der "großen Rotunde", dem Kuppelsaal im Innenbereich der Liegenschaft. Ein im Bogen verlaufender Wintergarten, errichtet auf den Arkaden über den Kutscherumfahrten des Erdgeschosses, führt die Enden der drei Flügel im 1. Obergeschoss jeweils zusammen. Flügel, Diagonalbau und Wintergärten der fast achsensymmetrischen Anlage umschließen zwei dreieckförmige Innenhöfe.
Das Gebäude zählt heute zu den wichtigsten Bauten des deutschen Klassizismus und stellt daher ein Kulturdenkmal von herausragender nationaler Bedeutung dar. Kaum verrät das eher schlichte äußere Erscheinungsbild die standesgemäße Prachtentfaltung im Inneren. Insbesondere die von Moller erdachten Besonderheiten technischer Einzellösungen (Eisenkonstruktionen der Wintergärten und Kuppeln, Ausmalungen auf Papier etc.) sowie die hohe Qualität der Ausstattung (Fußböden, Türen, Vorhänge, Stuckmarmor, Kronleuchter etc.) müssen in dieser Form als herausragend angesehen werden.
Der Auftraggeber des Schlossbaus Herzog Wilhelm von Nassau verstarb bevor der Bau fertiggestellt werden konnte. Sein Sohn Herzog Adolph von Nassau-Weilburg bezog 1841 als erster und einziger ständiger Schlossherr das Bauwerk.
Mit der Annexion Nassaus durch Preußen 1868 als Provinz Hessen-Nassau wurde das Schloss ein beliebter Aufenthaltsort der preußischen Königs- und später deutschen Kaiserfamilie - besonders Kaiser Wilhelm II. war von Wiesbaden angetan und residierte hier während seiner regelmäßigen Besuche.
Kriegszerstörungen im zweiten Weltkrieg trafen vor allem den platzseitigen Ostflügel. Seit Dezember 1946 ist das Schloss Sitz des Hessischen Landtags.
Zur Vorbereitung des 2. Bauabschnitts der Sanierungsmaßnahmen im ehemaligen herzoglichen Stadtschloss Wiesbaden (Dienstgebäude des Hessischen Landtags, Wiesbaden) finden seit Herbst 2021 bauhistorische Untersuchungen statt. Parallel sollen restauratorische Voruntersuchungen die geplante Restaurierung der Innenraumschale vorbereiten.
In einem 1. Bauabschnitt werden bereits das 2. Obergeschoss, das Dachgeschoss und Teile des Kellergeschosses saniert. Die Endfassung der im 1. Bauabschnitt bearbeiteten Gebäudeteile richten sich wesentlich nach einem Konzept auf Grundlage einer bauhistorischen Untersuchung sowie der restauratorischen Voruntersuchungen.
Diese bauhistorischen Erkenntnisse werden um Untersuchungen zur Entstehungs- und Veränderungsgeschichte des Keller-, Erd- und 1. Obergeschosses des ehem. herzoglichen Stadtschlosses insbesondere der wandfesten Ausstattung ergänzt werden. Darüber hinaus werden auch die Fassaden des Stadtschlosses untersucht.
Die bauhistorischen Voruntersuchungen und die hier zu vergebenden restauratorischen Voruntersuchungen dienen anschließend als Grundlage für die Erstellung eines Sanierungskonzepts. Die Planungsleistungen für die Erstellung eines Sanierungskonzeptes unter Berücksichtigung der hochwertigen denkmalgeschützten Bausubstanz und Ausstattung und der geplanten Nutzungen wurden bereits in einem parallel stattfindenden Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb beschrieben.
Zur Vorbereitung des 2. Bauabschnitts sollen nun die im Wesentlichen aus einer Vorplanungsphase aus dem Jahr 2011 vorliegenden restauratorischen Voruntersuchungen des 1. OG und EG vervollständigt und aktualisiert sowie um entsprechende Untersuchungen des KG und einiger untergeordneter, bisher noch nicht untersuchter Räume ergänzt werden. Dabei sind Bestands- und Schadenskartierungen zu ergänzen bzw. zu erstellen. Aus den Erkenntnissen der restauratorischen Voruntersuchungen soll anschließend ein Katalog der nötigen konservatorischen und restauratorischen Maßnahmen entwickelt werden, der darüber hinaus auch eine Kostenschätzung und eine Aussage zum zeitlichen Aufwand der Arbeiten enthält.
Die vorhandenen Räume wurden aufgrund der unterschiedlich aufwendigen bzw. technologisch unterschiedlichen Ausführung bzw. Gestaltung in fünf verschiedene Raumgruppen unterteilt. Dabei handelt es sich zum einen um hochwertige Räume, die mit Dekorationsmalereien versehenen Decken, stuckierten und gefassten Profilen, mit Wandbespannungen oder bemalten Wänden mit verschiedenen Schmuckformen wie bemalten Stuckmarmorfriesen und hölzerner Ausstattungen in Form von Schmuckfußböden und Lambrien, Fenstern und Türen, ausgeschmückt sind. Zum anderen ist ein Großteil der Räume stark überformt und verändert worden und ist nur noch in einer reduzierten Gestaltungsform erhalten. Bei den nun geplanten Untersuchungen soll der vorhandene Bestand aufgenommen werden, hierbei steht die Identifizierung von noch erhaltenem bauzeitlichem bzw. historischem Bestand im Vordergrund. Alle späteren Veränderungen und Gestaltungen sollen allerdings ebenfalls untersucht und dokumentiert werden. Darüber hinaus soll der historische Bestand in seinem Erhaltungszustand dokumentiert und bewertet werden. Aus diesen Erkenntnissen soll ein auf den einzelnen Raum und das gesamte Schloss abgestimmtes restauratorisches Konzept zur Instandsetzung erarbeitet werden. Auf Grundlage der ausgeschriebenen Leistungen und der sich ergebenden Befundlage soll zusätzlich die Machbarkeit der vorgeschlagenen Rekonstruktionen aus dem vorliegenden "Masterplan zur Instandsetzung, Wiedereinrichtung und Nutzung der historischen Innenräume" unter Beachtung der Bedeutung des Stadtschlosses sowie unter Berücksichtigung der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit und dem verantwortungsvollen Umgang mit den zur Verfügung stehenden Mitteln überprüft werden.
Dazu müssen BewerberInnen für die ausgeschriebene Restauratorenleistung Nachweise und Referenzen benennen.
Die vorgesehenen Gesamtbaukosten (KG200 - KG600) belaufen sich auf rd. 30.000.000 Euro. Die zu bearbeitende BGF beträgt insgesamt ca. 6.000 m².
Neben den repräsentativen Sälen des ersten Obergeschosses wurden die Keller- und Erdgeschossräume sehr unterschiedlich genutzt. Neben mehreren Werkstätten und Materiallagern, befinden sich auch mehrere Technikräume u. a. für die Hausanschlüsse im Kellergeschoss. Die Anforderungen an Hausanschlussräume und Technikzentrale wurden bereits im Rahmen des ersten Bauabschnitts umgesetzt. Ein ebenfalls im ersten Bauabschnitt neu eingefügter Aufzugs- und Installationsschacht verbindet vom Kellergeschoss aus alle folgenden Geschosse (EG, 1. OG, 2. OG, DG) miteinander. Unter dem Diagonalbau befindet sich zurzeit ein Archiv. Unterhalb der Arkaden der Kutscherumfahrt befindet sich ein Kellergang, der mit Techniktrassen aus unterschiedlichen Bauphasen belegt ist.
Die Untersuchungen erfolgen in einem derzeit freigezogenen und vom laufenden Betrieb des Landtags abgetrennten Gebäude. Der erste Bauabschnitt ist noch nicht abgeschlossen. Daher ist mit Behinderungen und Einschränkungen der Untersuchungen durch den Bauablauf des 1. BA zu rechnen. Aufgrund vielfältiger Nutzungen des Schlossplatzes (Stadtfeste, Märkte) besteht darüber hinaus ein erhöhter Abstimmungsbedarf mit Veranstaltern bei ggf. erforderlicher Nutzung des unmittelbar vor dem Schloss beginnenden öffentlichen Raums.
Im Zuge der Bearbeitung sind Zwischenpräsentationen in Form von mündlichen Vorstellungen sowie eine Abschlusspräsentation und die Verschriftlichung der Gesamtdokumentation erforderlich.
Bauherr ist das Land Hessen, vertreten durch den Landesbetrieb Bau und Immobilien, Niederlassung West. Nutzer ist der Hessische Landtag. Den Untersuchungsleistungen wird das über ein Leistungsverzeichnis abgefragte Angebot zugrunde gelegt.
Beim Erstellen der digitalen Kartierungsunterlagen sind die Vorgaben des zu vervollständigenden Raumbuches fortzuführen bzw. zu übernehmen.