Beschreibung der Beschaffung
Auftragsgegenstand und Leistungsbestandteile
Das Projekt soll zum einen eine Anregungsfunktion im Hinblick auf die Weiterentwicklung der präventiv-pädagogischen Fachpraxis im Umgang mit Verschwörungsdenken und zum anderen eine koordinierende Unterstützungsfunktion im Hinblick auf die bestehenden Beratungs- und Informationsangebote zum Themenfeld inner- und außerhalb des Bundesprogramms erfüllen. Es soll zudem eine bundesweite Verweisberatung für Betroffene und ihr soziales Umfeld bieten.
Der Auftragsgegenstand beinhaltet folgende Leistungsbestandteile:
1. Bestandserhebung der bundesweiten Beratungs- und Informationsangebote
1.1. Identifizierung und Clusterung der bundesweit bestehenden zivilgesellschaftlichen wie staatlichen Beratungs- und Informationsangebote zum Themenfeld Verschwörungsdenken in schriftlicher Form und nach Rücksprache mit der Auftraggeberin nach:
1.1.1. Art der Maßnahme/Arbeit und Zielsetzungen (Beratung, Aufklärung, Unterstützung, Distanzierung, phänomenspezifisch, phänomenübergreifend etc.)
1.1.2. Reichweite der Arbeit (Bund, Land, Kommune, Internet etc.)
1.1.3. Zielgruppen, die adressiert werden (z. B. Verschwörungsgläubige, Umfeld von Verschwörungsgläubigen, Multiplikatorinnen und Multiplikatoren etc.)
2. Vernetzung der bundesweiten Beratungs- und Informationsangebote und der relevanten Akteurinnen und Akteure im Themenfeld Verschwörungsdenken
2.1. Organisation, Durchführung und Nachbereitung von mindestens zwei Vernetzungstreffen der bundesweiten Beratungs- und Informationsangebote (staatlich wie zivilgesellschaftlich) zum Thema Umgang mit demokratiegefährdendem Verschwörungsdenken in Präsenz und ggf. hybrid innerhalb der Projektlaufzeit. Weitere Vernetzungstreffen - auch online - sind gern möglich. Sofern der Bedarf bei den relevanten Akteurinnen und Akteure gesehen wird, sollten hierbei auch Strukturen der kollegialen Fallberatung diskutiert und etabliert werden.
2.2. Bedarfserhebung bei identifizierten Beratungs- und Informationsangeboten sowie weiteren relevanten zivilgesellschaftlichen Akteurinnen und Akteuren zur Identifizierung von Leerstellen in Bezug auf das Thema Umgang mit demokratiegefährdendem Verschwörungsdenken mit dem Ziel der Erarbeitung von Unterstützungsmaßnahmen für bestehende Akteurinnen und Akteure und Aufzeigen von Lücken innerhalb der Beratungsangebote (sowohl strukturell, als auch personell); bedarfsorientierte Unterstützung der im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben!“ geförderten Landes-Demokratiezentren.
2.2.1. Die Bedarfserhebung soll über die Anforderungen der Beratungsangebote hinaus explizit auch mögliche Leerstellen und Bedarfe im Hinblick auf flankierende Maßnahmen zur Prävention von Verschwörungsdenken einbeziehen: hierzu gehören beispielsweise Möglichkeiten der Stärkung gesellschaftlicher Partizipation, politischer Teilhabe an Entscheidungen und Selbstwirksamkeit (etwa im Rahmen von lokalen Dialogforen) zwischen Behörden und Zivilgesellschaft (Einbezug der im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben!“ geförderten Partnerschaften für Demokratie).
2.2.2. Weiterhin sollen Leerstellen und Bedarfe im Hinblick auf flankierende Maßnahmen zur Prävention von Verschwörungsdenken im Netz und mittels online-Tools eruiert werden, um hieraus weitere Unterstützungsmaßnahmen zu entwickeln.
2.3. Organisation und Durchführung einer Fachveranstaltung in Präsenz unter Berücksichtigung von Wissenschaft, Praxis und Verwaltung im Themenfeld mit Aufbereitung und Publikation von gewonnen Erkenntnissen sowie Formulierung von Handlungsempfehlungen für die Praxis
2.4. Aufbau einer fachlichen Austauschplattform, die interdisziplinär und phänomenübergreifend ausgerichtet ist und unter Abstimmung/enger Zusammenarbeit mit den Landes-Demokratiezentren erfolgt und die bereits bestehenden Austauschplattformen in den Ländern berücksichtigt. Neben den bundesweiten Beratungs- und Informationsstellen ist eine Vernetzung und der Austausch mit allen anderen relevanten Akteurinnen und Akteure und ihrer jeweiligen Expertise im Themenfeld, darunter die zuständigen Sicherheitsbehörden wie Polizei, Landeskriminalämter (LKA) und Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV), die Sektenausstiegshilfe, kirchliche Angebote der Sekten- und Weltanschauungsberatung und Jugendämtern sicherzu-stellen. Die Austauschplattform beinhaltet ein Online-Informationsangebot mit dem Ergebnis der Bestandserhebung (s. Nr. 1.) und des Wissensspeichers (s. Nr. 5.2.1) sowie Informationen zu den im Rahmen des Projekts vorgesehenen Vernetzungstreffen für o. g. Akteurinnen und Akteure.
3. Konzepterstellung und Einrichtung einer bundesweiten Verweisberatung im Themenfeld Verschwörungsdenken
3.1. Erstellung eines Konzepts zum Aufbau einer bundesweiten Verweisberatung mit einer Homepage und kostenloser Telefonnummer zum Umgang mit demokratiegefährdenden Verschwörungsdenken.
3.2. Errichtung einer Homepage mit einer kostenlosen Telefonnummer, an die sich eingedenk der notwendigen Qualitätssicherung auf Grundlage einer Bestandserhebung der bundesweiten Beratungs- und Informationsangebote (vgl. oben zu Nr. 1.) - frühestens sechs Monate nach Projektbeginn - Angehörige von (potentiell) verschwörungsgläubigen Personen, das erweiterte soziale Umfeld sowie Verschwörungsgläubige selbst wenden können. Die Verweisberatung dient dazu erste Informationen und eine Orientierung zu geben mit dem Ziel der Weitervermittlung an eine qualifizierte lokale Beratungsstelle. Dazu soll eine entsprechende (Online-) Struktur entwickelt und öffentlich zur Verfügung gestellt werden. Das Angebot der Anlaufstelle ist barrierefrei zu gestalten. Die Standards der Verweisberatung sollten sich an den Qualitätsstandards vergleichbarer Angebote orientieren.
Im Folgenden finden sich Beispiele für „übliche“ Beratungsstandards:
- Standards des Bundesverbandes der Mobilen Beratungen e.V.
- Standards in der Beratung des sozialen Umfelds (mutmaßlich) islamistisch radikalisierter Personen des Beratungsstellen-Netzwerks der Beratungsstelle „Radikalisierung“ des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF)
- Beratung für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt in Deutschland (Qualitätsstandards für eine professionelle Unterstützung) des Verbands der Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt (VBRG) e.V.
4. Entwicklung eines Leitfadens zum Umgang mit sicherheitsrelevanten Fällen in der Beratung
4.1. Erarbeitung von Kriterien zum Umgang mit sicherheitsrelevanten Fällen in der Beratung, insbesondere wann in einem Beratungsfall Sicherheitsrelevanz vorliegt, in enger Abstimmung mit den relevanten Akteurinnen und Akteure im Themenfeld, dem BMI und ggf. hierfür zuständigen lokalen Sicherheitsbehörden.
4.2. Erstellung eines Leitfadens für den Umgang mit sicherheitsrelevanten Fällen in der Beratung mit konkreten Handlungsempfehlungen und Hinweisen zu gesetzlichen Handlungspflichten für die Praxis und der Aufbereitung der rechtlichen Rahmenbedingungen für eine Informationsvermittlung, den Umgang mit Persönlichkeitsrechten und Datenschutzvorgaben.
5. Transfer, Qualitätssicherung und Öffentlichkeitsarbeit
5.1. Aufbereitung und Publikation von im Rahmen des Projekts gewonnenen Erkenntnissen, Best-Practice-Beispielen und praxistauglichen Handlungsempfehlungen in Form eines Abschlussberichts. Zu berücksichtigen sind hier z. B. auch die Themen Rechtssicherheit innerhalb der Beratungsarbeit oder Zusammenarbeit mit kommunalen Stellen wie Jugendämtern.
5.2. Praxis-Wissenschafts-Transfer: Prozessgestaltung zum Austausch über und ggf. Erarbeitung von gemeinsame(n) fachliche(n) Qualitätsstandards in der Beratung zum Thema pädagogische Prävention von demokratiegefährdendem Verschwörungsdenken unter Berücksichtigung und Einbeziehung bereits vorliegender fachlicher Erkenntnisse und Standards.
5.2.1. Aufbau eines Wissensspeichers (Pooling von Expertise) zum Thema Umgang mit demokratiegefährdendem Verschwörungsdenken auf Grundlage vorhandener und in Bearbeitung befindlicher Expertisen aus Wissenschaft und Forschung sowie
5.2.2. Bereitstellung für interessierte Akteurinnen und Akteure in Form einer online verfügbaren Datenbank.
5.3. Öffentlichkeitsarbeit: Homepage für Verweisberatung, Austauschplattform und Wissensspeicher, Newsletter für Praktikerinnen und Praktiker mit relevanten Informationen (z. B. aktuelle Forschungsergebnisse, Fachdiskurse, rechtliche Fragen im Themenfeld etc.)
5.4. Nachhaltigkeitsstrategie: Erarbeitung von Empfehlungen und konzeptionellen Überlegungen, wie das Projekt nach Ende der Laufzeit weiterentwickelt und fortgeführt werden kann und die Beratungsangebote in den Ländern perspektivisch über eine bundesweit zentral erreichbare Verweisberatung wahrgenommen werden können. Insbesondere unter Berücksichtigung einer Variante, die beschreibt, wie nach Ablauf der Projektlaufzeit, eine konkrete Übergabe der Projektbestandteile an den Bund oder einen Dritten gewährleistet werden kann.