Beschreibung der Beschaffung
Individuelle und thematisch spezialisierte Beratungsangebote mit gut erreichbaren örtlichen Beratungsstellen in einem Flächenland wie Sachsen-Anhalt aufrechtzuerhalten, ist aufwendig zu organisieren und teuer. In einigen Kreisen gibt es überhaupt keine Beratungsstelle, andere Beratungsstellen sind für Ratsuchende oft zu weit entfernt oder begrenzt auf wenige Beratungsinhalte. Spezialberatungsangebote, etwa zu Finanzthemen, können so dauerhaft zurzeit nur in den Großstädten angeboten werden.
Schwierige Verbraucherprobleme aus sehr unterschiedlichen Märkten gut zu lösen, ist oft inhaltlich komplex, nicht selten auch rechtlich kompliziert und deshalb auch zeitlich aufwendig. Die aktuellen Erfahrungen der Verbraucherzentralen zeigen, dass ausschließlich digitale Angebote, wie etwa eine Beratung über E-Mail oder Telefon nicht von Allen und bei allen wichtigen Themen gleichermaßen gut genutzt werden können. Häufig ist in den Hauhalten der Verbraucherinnen und Verbraucher entweder die technische Infrastruktur, wie etwa ein Scanner, nicht vorhanden oder die Qualität von Dokumentenkopien, die damit oder über ein Smartphone angefertigt wurden, nicht ausreichend, weil unleserlich. Dabei ist gerade die genaue Prüfung von Vertragsunterlagen unerlässlich, um Lösungsansätze zu identifizieren.
Hinzu kommt die Notwendigkeit, mittels dialogischer Kommunikation zwischen Ratsuchenden und Beratenden entscheidende Details zu klären und mögliche Lösungsansätze zu erkennen. Eine rein telefonische Beratung kann zumeist nur eine Ersteinschätzung oder Situationsklärung leisten, bietet jedoch keine Voraussetzungen für weitere wirksame Schritte bei der Durchsetzung von Verbraucherrechten gegenüber Anbietern.
Hier setzt der Plan an, mittels unterstützten Videochats aus einem so genannten Digimobil heraus spezielle und zielgenaue Beratungsangebote in die Fläche des Landes und so direkt zu den Menschen zu bringen. Eine Umsetzungsform, die eine deutliche Verbesserung der Erreichbarkeit von Unterstützungsangeboten und Beratung auch im ländlichen Raum ermöglicht. Sie bietet bestimmten Zielgruppen gewissermaßen eine Brücke von der analogen in die digitale Welt. Nicht zuletzt ermöglicht sie im Verbraucherschutz eine größere Sichtbarkeit in der Fläche des Landes Sachsen-Anhalt und neue Kooperationen mit anderen Akteuren vor Ort, wie Verwaltungen, Vereinen oder Netzwerken.
Eine individuelle Beratung aus Fahrzeugen heraus ist keine neue Idee. Auch die Verbraucherzentrale Sachsen-Anhalt hatte so bereits jahrelang Beratung angeboten, etwa zu Energiethemen. Spezialisierte Energieberater waren in der Vergangenheit nach einem Tourenplan unterwegs und temporär in mittleren und kleineren Städten vor Ort. Dieses bundesweite projektfinanzierte Beratungsformat wurde jedoch eingestellt, weil der Betrieb eines sehr großen Fahrzeuges mit Fahrer und zwei reisenden Beratungskräften nicht wirtschaftlich war und auch zu einem Zeitpunkt erfolgte, als mobiles Breitbandinternet noch nicht verfügbar war, was die Arbeitsfähigkeit begrenzte.
Nun soll ein anderer innovativer Lösungsansatz gewählt werden. Ein kleineres und vor allem kostengünstigeres Beratungsfahrzeug wird vor Ort nur durch eine Servicekraft (Vollzeit, Entgeltgruppe 8, TV-L) betreut. Die Beratung im Mobil erfolgt mittels Videochat durch wechselnde spezialisierte Fachberater, die an ihren regulären Arbeitsplätzen in den Beratungsstellen verbleiben. Angeboten wird damit das komplette Beratungsspektrum der Verbraucherzentrale (z. B. Verbraucherrecht, Finanzdienstleistungen, Energie, Lebensmittel, Pflege).
Im Rahmen eines Interessenbekundungsverfahrens werden alle Kommunen über 10.000 Einwohner angefragt, die über keine Verbraucherberatung vor Ort verfügen. Dazu gehören auch größere Städte wie z. B. Weißenfels, Bernburg oder Köthen, die so wieder in das Beratungsnetz eingebunden werden können, in dem sie sich in den 90er Jahren bereits befanden. Der überwiegende Anteil der Beratungen wird jedoch in entfernten kleineren Kommunen angeboten, die von bestehenden Angeboten weit entfernt sind. Dazu zählen etwa Gardelegen, Tangermünde oder Zerbst. Insgesamt sollen so bedarfsgerecht etwa 30 zusätzliche Standorte erschlossen werden. Durch die beteiligten Kommunen sollen für das Digimobil zentrale, gut erreichbare und gut sichtbare Stellplätze zur Verfügung gestellt werden. Ein Beratungstag soll durchschnittlich an einem Tag pro Monat angeboten werden.