MORO – Regionalentwicklung und Hochwasserschutz in Flussgebieten (Elbe, 1. Phase)
Nahezu alle großen deutschen Flusseinzugsgebiete haben in den vergangenen zwei Jahrzehnten extreme Hochwasserereignisse erlebt. Diese verursachten immense Zerstörung an Wohnhäusern, Betrieben und Infrastruktur und führten zu volkswirtschaftlichen Schäden. Allein für das Hochwasser im Juni 2013 gehen vorläufige Schätzungen von einer bundesweiten Schadenssumme von gut 6,7 Milliarden EUR zzgl. 2 Milliarden Euro für versicherte Schäden aus. Für die Behebung von Schäden an Verkehrswegen und Liegenschaften des Bundes sind 1,32 Milliarden EUR eingeplant.
Als politische Reaktion auf das Hochwasserereignis an Elbe und Donau und ihren Zuflüssen 2002 sind zahlreiche Aktivitäten gestartet worden, um den vorbeugenden Hochwasserschutz zu verbessern. Zentrales Ziel war, „den Flüssen mehr Raum zu geben“ (5 Punkte Programm der Bundesregierung 2002). Das bedeutet, dass Hochwasserschutz nicht ausschließlich durch technische Maßnahmen stattfindet, sondern vor allem die Sicherung und Rückgewinnung natürlicher Retentionsräume und Überschwemmungsflächen einschließt. Zu den wichtigsten rechtlichen Änderungen zählen vor allem:
— das Hochwasserschutzgesetz von 2006,
— das Gesetz zur Neufassung des Raumordnungsgesetzes 2008 und
— die Richtlinie 2007/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über die Bewertung und das Management von Hochwasserrisiken (Hochwasserrisikomanagementrichtlinie: HWRM-RL).
— Im Herbst 2014 wird zudem das Nationale Hochwasserschutzprogramm erwartet.
Diese Regelungen betreffen das Handeln von zahlreichen Akteuren aus den Bereichen Wasserwirtschaft, Raumordnung und Naturschutz auf allen räumlichen Ebenen (Bund, Land, Region, Landkreis, Kommune). Die Raumordnungsgesetze der Länder wurden an die Bundesgesetzgebung angepasst. Diese sehen als Grundsätze vor, dass Hochwasserschutz vorrangig durch vorbeugende Maßnahmen zu gewährleisten ist. Ziele der Raumordnung sind meist, dass in den Regionalplänen sowohl vorhandene als auch rückgewinnbare Überschwemmungs- oder Risikobereiche, die bei Versagen von Hochwasserschutzanlagen oder Extremhochwasser überschwemmt werden können, als Vorrang- und Vorbehaltsgebiete für den vorbeugenden Hochwasserschutz auszuweisen sind. Zusätzlich sollen die Überschwemmungsgebiete, die durch das WHG vorgegeben sind, nachrichtlich übernommen werden. Aktuell werden die Hochwasserrisikomanagementpläne (im Rahmen der Umsetzung der HWRM-RL) erstellt.
Es stellt sich die Frage, wie diese Regelungen in die Praxis umgesetzt werden und welche Wirkung sie hinsichtlich des Hochwasserrisikomanagements und der Regionalentwicklung erzielen. Hochwasserrisikomanagement zielt auf die Vermeidung nachteiliger Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit, Umwelt, Kultur und wirtschaftliche Tätigkeiten, den Schutz vor Hochwasser und die Vorsorge vor Hochwasser ab. Neben dem technischen Hochwasserschutz geht es also vor allem um die Sicherung neuer Flächen für den vorsorgenden Hochwasserschutz, aber andererseits auch um die Frage nach möglichen und notwendigen Nutzungsbeschränkungen auf Flächen, die während eines (Extrem)Hochwassers überflutet werden könnten. Das betrifft sowohl Flächen des Siedlungsbestands als auch des Außenbereichs (hochwasserangepasste Bauweise, kein Wiederaufbau, Wiederaufbau unter bestimmten Voraussetzungen, etc.), um bei einem Hochwasserereignis das Schadenspotenzial zu vermindern. Im Außenbereich beeinflusst das Hochwasserrisikomanagement auch land- und forstwirtschaftliche sowie touristische Nutzungsmöglichkeiten. Daher ist die Frage nach der Wirkung der neuen gesetzlichen Regelungen sowohl von der planungsrechtlichen Seite als auch aus der Perspektive der regionalökonomischen Entwicklung zu betrachten.
Einerseits soll eine Bestandsaufnahme vorliegender Erfahrungen erfolgen. Darin sollen alle betroffenen Landes- und Regionalplanungen eingebunden werden. Sie soll u.a. die planerischen Aussagen der Regionalpläne zu Retentionsflächen und Nutzungsbeschränkungen sowie die tatsächliche Beschaffenheit der Hochwasserschutzanlagen (soweit regionalplanerisch relevant) erfassen und damit auch Aussagen zu ggf. unterschiedlichen Herangehensweisen in den einzelnen Bundesländern ermöglichen. Andererseits soll der Einfluss des aktuellen bzw. geplanten Hochwasserrisikomanagements auf die regionale Entwicklung insgesamt untersucht werden: Flächenrestriktionen und Nutzungsauflagen können zwar behindernd wirken aber möglicherweise auch innovative Ideen mit dem Umgang des Hochwasserrisikos befördern und im Zuge interkommunaler Zusammenarbeit neue Potenziale der regionalen Entwicklung eröffnen.
Die Untersuchung umfasst das Flussgebiet der Elbe und ihrer Nebenflüsse, da es hier seit 2002 mehrere verheerende Hochwasserereignisse gegeben hat. Das damit verbundene Schadensniveau ist insofern auffällig, als dass die Elbe im Vergleich zu anderen großen Flüssen in Deutschland als relativ naturbelassen angesehen wird. Auf Grund des Klimawandels muss auch in Zukunft mit einer Häufung von extremen Wetterlagen und somit auch dem Auftreten von extremen Hochwässern gerechnet werden. Es sollen sowohl der Hauptstrom als auch die wichtigsten Zuflüsse in Deutschland und Tschechien untersucht werden.
Das Projekt erfordert die Einbindung zahlreicher Akteure. Der Teilnehmerkreis soll die entscheidenden Akteure aus Planung, Wasserwirtschaft (LAWA), Flussgebietsgemeinschaft Elbe (FGG-Elbe, Ländervertreter), Internationaler Kommission zum Schutz der Elbe (IKSE) sowie der Regionalentwicklung (z. B. Wirtschaftsförderung, Verbände, Kammern, Unternehmen) umfassen.
Der Erkenntnisgewinn soll durch die Wahl unterschiedlicher Methoden erfolgen (z. B. Interviews, Expertisen, Workshops, Empirie).
Konkret sind folgende Fragestellungen zu beantworten:
— Welche Wirkungen zeigen die vergangenen Gesetzesänderungen und die derzeit laufende Umsetzung der HWRM-RL für die Regionalplanung hinsichtlich des vorbeugenden Hochwasserschutzes?
Es ist zu identifizieren, ob und welche Anknüpfungspunkte es zwischen den Ländern, die die Richtlinie weitgehend wasserwirtschaftlich umsetzen, und der ganzheitlich orientieren Regionalplanung gibt. Es ist möglich, dass sich aus der Umsetzung der Richtlinie weitere Anforderungen an Hochwasserschutzgebiete und Nutzungseinschränkungen ergeben, die potentiell konfliktträchtig sind. Dabei sollen einerseits die Prozesse auf der Akteursebene analysiert werden und andererseits die Wirkung der Gesetzesänderungen auf die räumlichen Festlegungen in den Landesentwicklungsplänen und den Regionalplänen. Darüber hinaus ist aufzuzeigen ob und in welcher Form die Umsetzung der HWRM-RL einen Nutzen/Lastenausgleich zwischen Regionen mit unterschiedlicher Betroffenheit von Hochwasserereignissen befördert.
— Welche Wirkungen haben aktuelle Festlegungen zum vorbeugenden Hochwasserschutz und Maßnahmen zum Hochwasserrisikomanagement mittel- und langfristig auf eine ganzheitlich ausgerichtete Regionalentwicklung?
Hintergrund der Fragestellung sind die hohen Kosten und Raumansprüche des Hochwasserschutzes und die damit verbundenen Abwehrhaltungen von Bürgern und Akteuren den Hochwasserschutzmaßnahmen gegenüber. Daher soll nicht nur aufgezeigt werden, welche Nutzungsbeschränkungen und Zielkonflikte aus dem Hochwasserrisikomanagement resultieren. Es soll auch deutlich werden, welche regionalen Akteure, Nutzungsformen, Wirtschaftsbereiche oder Infrastrukturen von den Maßnahmen des Hochwasserrisikomanagements profitieren, welche regionalökonomischen Effekte entstehen bzw. welchen Nutzen die Region jenseits des Hochwasserschutzes aus den Maßnahmen erzielen kann. Anhand von Fallbeispielen sollen Analysen zu den konkreten Auswirkungen des Hochwasserrisikomanagements auf die Entwicklung einzelner Regionen durchgeführt werden. Darüber hinaus ist aufzuzeigen, ob und in welcher Form ein Nutzen/Lastenausgleich zwischen Regionen mit unterschiedlicher Betroffenheit von Hochwasserereignissen befördert wird.
Die Vorstudie dient einerseits der Erkenntnisgewinnung des Bundes, andererseits soll dadurch auch ein Beitrag zum Erfahrungsaustausch zwischen den Landesplanungen entlang der Elbe geleistet werden. Die Ergebnisse dieser Untersuchung sollen in eine Konzeption für ein neues Modellvorhaben der Raumordnung „Regionalentwicklung und Hochwasserschutz in Flussgebieten“ eingehen, in dem sich Regionalplanungsträger und/oder Regionalmanagements vor allem mit der Wirkung des Hochwasserrisikomanagements auf ihre Regionen auseinandersetzen sollen. Darüber hinaus ist ein Leitfaden für die Regionen zu erstellen, der die Regionen unterstützt, Strategien für eine integrierte Betrachtungsweise von Hochwasserrisikomanagement und Regionalentwicklung zu entwickeln. Dieser soll in den Modellvorhaben zur Anwendung kommen.
Deadline
Die Frist für den Eingang der Angebote war 2014-10-31.
Die Ausschreibung wurde veröffentlicht am 2014-10-01.
Wer?
Wie?
Geschichte der Beschaffung
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Dokument |
2014-10-01
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Auftragsbekanntmachung
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