Forschungsvorhaben zur Umsetzung des Erforderlichkeitsgrundsatzes in der betreuungsrechtlichen Praxis im Hinblick auf vorgelagerte „andere Hilfen“ unter besonderer Berücksichtigung des am 1.7.2014 in Kraft getretenen Gesetzes zur Stärkung der Funktionen der Betreuungsbehörde

Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch den Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz

A. Hintergrund des Auftrags:
Nach dem Erforderlichkeitsgrundsatz scheidet eine Betreuerbestellung aus, „soweit die Angelegenheiten des Volljährigen durch einen Bevollmächtigten (…) oder durch andere Hilfen, bei denen kein gesetzlicher Vertreter bestellt wird, ebenso gut wie durch einen Betreuer besorgt werden können“ (§ 1896 Abs. 2 BGB). Mit diesem Grundsatz trägt das Betreuungsrecht sowohl dem verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsprinzip als auch den Anforderungen des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UN-BRK) Rechnung.
Der Begriff der „anderen Hilfen“ umfasst sämtliche individuell zugänglichen sozialen Ressourcen der Betroffenen und ist nicht auf Sozialleistungen nach den Sozialgesetzbüchern beschränkt. Auf kommunaler Ebene gibt es zahlreiche Anstrengungen, ehrenamtliche Hilfen zu erschließen und zu organisieren, die als „andere Hilfen“ in Anspruch genommen werden können (siehe beispielhaft www.landkreishildesheim.de/media/custom/1796_240_1.PDF). Zwar wird in vielen Fällen eine Betreuung auch bei Inanspruchnahme sozialrechtlicher Leistungen erforderlich bleiben. Insofern ergänzen rechtliche Betreuung und das Sozialleistungssystem einander. In anderen Fällen wird die Leistung sozialrechtlicher Ansprüche die Betreuung jedoch erübrigen oder einschränken. Daher sollen die Betreuungsbehörden bereits im Vorfeld eines Betreuungsverfahrens bei Anhaltspunkten für einen Betreuungsbedarf der betroffenen Person „andere Hilfen“ vermitteln und hierbei mit den zuständigen Sozialleistungsträgern zusammen arbeiten (§ 4 BtBG). Im Betreuungsverfahren sollen sie im Rahmen der gerichtlichen Anhörung in ihrem (seit Inkrafttreten des Gesetzes zur Stärkung der Funktionen der Betreuungsbehörde am 1.7.2014) obligatorischen Bericht insbesondere zur Erforderlichkeit der Betreuung einschließlich geeigneter „anderer Hilfen“ Stellung nehmen (Sozialbericht, § 279 FamFG). Zur Vermeidung einer Verfahrenseinleitung bzw. zur Vorbereitung der gerichtlichen Entscheidung kommt den Betreuungsbehörden an der Schnittstelle zwischen Betreuungsrecht und dem Recht der sozialen Hilfeleistungen eine besondere Bedeutung zu. Mit dieser Zielrichtung hat das „Gesetz zur Stärkung der Funktionen der Betreuungsbehörde“ ihre Kompetenz und Einflussmöglichkeit verstärkt. Um den Erwartungen des Gesetzgebers entsprechen zu können, müssen sich die Betreuungsbehörden auf den Einzelfall bezogen über mögliche sozialrechtliche Leistungen und ihre Verwirklichung vor Ort informieren können. Ausschlaggebend dürfte die kommunikative Vernetzung mit den örtlichen Sozialleistungsträgern sowie die Einbindung in das örtliche und regionale Hilfesystem sein. Die Untersuchung soll daher auch die Wirksamkeit des Gesetzes erfassen und ggf. Grenzen und Hemmnisse benennen.
B. Ziele des Forschungsvorhabens:
Mangels konkreter Untersuchungen gibt es zurzeit nur unterschiedliche Vermutungen und Annahmen sowohl über den Umfang potentiell betreuungsvermeidender „anderer Hilfen“ und Unterstützungen und deren praktische Nutzbarkeit seitens der Betroffenen als auch über die entsprechenden Erkenntnismöglichkeiten der Betreuungsbehörden. Das geplante Forschungsvorhaben soll daher im Wesentlichen empirisch untersuchen, welche „anderen Hilfen“ zur Vermeidung und Begrenzung von Betreuungen grundsätzlich geeignet sind und ob den Betreuungsbehörden die diesbezüglichen Informationen unter Berücksichtigung der jeweiligen individuellen Bedarfe der betroffenen Person einerseits und der konkreten Möglichkeiten vor Ort andererseits in ausreichendem Maß zur Verfügung stehen. Dazu soll in einem ersten Schritt eine Bestandsaufnahme der derzeitigen potentiell betreuungsvermeidenden „anderen Hilfen“ insbesondere aus dem sozialrechtlichen Bereich erstellt werden. In einem zweiten Schritt ist zu untersuchen, ob und inwieweit diese Hilfen insbesondere nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Stärkung der Funktionen der Betreuungsbehörden von diesen tatsächlich vermittelt oder dem Betreuungsgericht zur Kenntnis gebracht werden. Schließlich sollen in einem dritten Schritt Vorschläge und Ansätze für weitere mögliche Maßnahmen zur effektiveren Nutzung „anderer Hilfen“ im Betreuungsverfahren erarbeitet werden.
Weitergehende Informationen zum Auftragsgegenstand sowie die forschungsleitenden Fragen und Problemfelder, an denen sich die Untersuchung orientieren soll, sind den Ausschreibungsunterlagen zu entnehmen, welche unter der im „I.1) Ausschreibungs- und ergänzende Unterlagen (einschließlich Unterlagen für den wettbewerblichen Dialog und ein dynamisches Beschaffungssystem) verschicken“ angegebenen Internetadresse abgerufen werden können.
C. Überlegungen zur Methodik:
Die in den Ausschreibungsunterlagen näher bezeichneten Fragestellungen lassen sich nur mit Hilfe sämtlicher Beteiligtenkreise (Betreuungsgerichte, Betreuungsbehörden, Betreuungsvereine, Betreuer und Betreuerinnen, Betreute und deren Angehörige sowie Sozialbehörden) hinreichend klären. Eine repräsentativ angelegte Befragung, Vertiefungsinterviews und Abläufe rekonstruierende Fallstudien dürften notwendig sein. Hierbei wird der vertieften Untersuchung repräsentativer Einheiten und konkreter Entscheidungsabläufe der Vorzug vor bundesweiten Totalerhebungen zu geben sein.
Es ist beabsichtigt, das Forschungsvorhaben durch einen Beirat, der nach Auftragsvergabe eingerichtet werden soll, zu begleiten. In dem Beirat sollen neben Vertretern und Vertreterinnen des Bundes (BMJV, BMAS, BMFSFJ) und der Landesjustiz- und Landessozialverwaltungen auch die kommunalen Spitzenverbände und weitere Fachverbände vertreten sein. Nach Möglichkeit sollten bereits vorhandene Erhebungen und Erkenntnisse aus Länderprojekten einbezogen werden.
D. Verfahrenshinweise:
Dem Teilnahmeantrag sind die unter III.2.1) und III.2.3) aufgeführten Unterlagen beizufügen.
Die Anforderungen an das später einzureichende Angebot – sofern der/die Bewerber/in zur Abgabe eines solchen aufgefordert wird – sind den Ausschreibungsunterlagen (abrufbar unter der im „I.1) Ausschreibungs- und ergänzende Unterlagen (einschließlich Unterlagen für den wettbewerblichen Dialog und ein dynamisches Beschaffungssystem) verschicken“ genannten Internetadresse) zu entnehmen.

Deadline
Die Frist für den Eingang der Angebote war 2015-08-12. Die Ausschreibung wurde veröffentlicht am 2015-06-26.

Anbieter
Die folgenden Lieferanten werden in Vergabeentscheidungen oder anderen Beschaffungsunterlagen erwähnt:
Wer?

Wie?

Geschichte der Beschaffung
Datum Dokument
2015-06-26 Auftragsbekanntmachung
2015-07-07 Ergänzende Angaben
2016-01-04 Bekanntmachung über vergebene Aufträge
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