Vergabe eines Forschungsvorhabens zum Thema „Qualität der rechtlichen Betreuung“

Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch den Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz

A. Hintergrund des Auftrags:
Die rechtliche Betreuung (§§ 1896 ff BGB) ist ein Instrument zur Unterstützung von Menschen, die krankheits- oder behinderungsbedingt ihre Angelegenheiten nicht selbst besorgen können. Das individuelle Wohl und die individuellen Wünsche der Betreuten stehen hierbei im Mittelpunkt. Stellvertretendes Handeln darf nur im Rahmen des Erforderlichen stattfinden, vorrangig ist die Unterstützung eigener Entscheidungsfindung.
Die gesetzlichen Vorgaben für eine an der Person und den Fähigkeiten der Betreuten orientierten unterstützenden Betreuung müssen auch im Hinblick auf das Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UN-BRK) in der Praxis umgesetzt werden.
B. Ziele des Forschungsvorhabens und Problemfelder:
Durch das Forschungsvorhaben sollen empirische Erkenntnisse darüber gewonnen werden, welche Qualitätsstandards in der Praxis eingehalten werden bzw. ob und ggf. welche strukturellen (einzelfallunabhängigen) Qualitätsdefizite insbesondere in der beruflichen aber auch in der ehrenamtlichen Betreuung bestehen und auf welche Ursachen diese ggf. zurückgeführt werden können. Hierzu ist in Absprache mit dem BMJV unter Einbeziehung eines Forschungsbeirates ein Konzept der Betreuungsqualität mit Indikatoren zu ihrer Überprüfung zu entwickeln. Diese Überprüfung soll in repräsentativer Auswahl mittels konkreter Fallstudien und Fallrekonstruktionen stattfinden.
Zentrale Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang der Frage der Geeignetheit der Betreuerinnen und Betreuer zu. Nach geltendem Recht bestellt das Gericht als rechtlichen Betreuer bzw. als rechtliche Betreuerin „eine natürliche Person, die geeignet ist, in dem gerichtlich bestimmten Aufgabenkreis die Angelegenheiten des Betreuten rechtlich zu besorgen und ihn in dem hierfür erforderlichen Umfang persönlich zu betreuen“ (§ 1897 Abs. 1 BGB). Detaillierte Anforderungen an die „Geeignetheit“ sind den gesetzlichen Regelungen des Betreuungsrechts nur indirekt zu entnehmen. Auch macht das Gesetz hinsichtlich der Geeignetheit keinen expliziten Unterschied zwischen Personen, die die betreuende Tätigkeit ehrenamtlich und jenen, die sie beruflich ausüben. (Vorrang des Ehrenamts: Berufsbetreuer und -betreuerinnen sollen nach § 1897 Abs. 6 BGB jedoch nur bestellt werden, wenn keine geeigneten ehrenamtlichen Betreuer und Betreuerinnen zur Verfügung stehen.)
Im Hinblick auf die ehrenamtlichen Betreuer und Betreuerinnen stellt sich die Frage nach Qualität und Effektivität der Einführung in ihre Aufgaben sowie nach der Effizienz ihrer Fortbildung, Unterstützung und Beratung durch Betreuungsvereine und Betreuungsbehörden. Zu überprüfen wäre auch, inwieweit die Betreuungsbehörden für ein ausreichendes Angebot zur Einführung der Betreuer und Betreuerinnen in ihre Aufgaben sorgen (§ 5 BtBG).
Im Gegensatz zur ehrenamtlichen Betreuung, die weit überwiegend durch Angehörige geleistet wird, unterstützen Berufsbetreuer und -betreuerinnen eine Vielzahl fremder Menschen. Dies erfordert die Fähigkeit und Bereitschaft, die Wünsche und Vorstellungen sehr verschiedener und auch krankheits- oder behinderungsbedingt schwer zugänglicher Menschen zu erkennen und im Rahmen des Möglichen mit ihnen gemeinsam umzusetzen bzw. die notwendigen Hilfen zu organisieren. Die an Einzelfällen orientierte öffentliche Diskussion über Mängel in der Betreuung wirft die Frage auf, ob und inwieweit diese auf strukturelle Mängel in der beruflichen Betreuung zurückgeführt werden müssen. Die Studie soll hierüber Aufschluss erbringen.
Die Wirkungen des im Juli 2005 mit dem Zweiten Betreuungsrechtsänderungsgesetz eingeführten pauschalierten Vergütungssystems auf die Qualität der Betreuung sollen in die Untersuchung einbezogen werden.
Ein weiteres Untersuchungsfeld ist die Kontrolle der Betreuertätigkeit. Hier stellt sich die Frage, auf welchem Wege in einem standardisierten Verfahren die Qualität der Betreuung fortlaufend kontrolliert und damit gesichert wird oder gesichert werden könnte.
Weitergehende Informationen zum Auftragsgegenstand sowie die forschungsleitenden Fragen und Problemfelder, an denen sich die Untersuchung orientieren soll, sind dem Teil 2. der Ausschreibungsunterlagen zu entnehmen, welche unter der im Punkt I.1) „Ausschreibungs- und ergänzende Unterlagen verschicken“ angegebenen Internetadresse abgerufen werden können.
C. Überlegungen zur Methodik:
Die infrage stehenden Meinungsbilder lassen sich mit Hilfe breit angelegter Befragungen der beteiligten Kreise (Betreute, Angehörige, Einrichtungsmitarbeiter und -mitarbeiterinnen, Betreuungsrichter und -richterinnen, Rechtspfleger und -pflegerinnen, Betreuungsbehörden und Betreuungsvereine) ermitteln. Bei der Auswertung der Daten sollten auch regionale Differenzierungskriterien (z.B. Stadt/Land, West- und Ostdeutschland) Berücksichtigung finden.
Im Übrigen werden zur Überprüfung der tatsächlichen Betreuungsqualität und ggf. struktureller Defizite empirische Erhebungsmethoden (Vertiefungsinterviews, Fallrekonstruktionen etc.) notwendig sein, die sich auf repräsentative Teilgruppen konzentrieren. Die Zeitbudgetforschung zur Ermittlung des zeitlichen Betreuungsaufwands und die Ermittlung der Aufwendungen sind insbesondere auf die Mitarbeit der Berufsbetreuer und -betreuerinnen angewiesen. BMJV ist zur Vermittlung dieser Mitarbeit (Journalführung, Auswertung elektronischer Dokumentationssysteme, Auswertung von Steuererklärungen etc.) bereit. In diesem Zusammenhang wird eine Vergleichsgruppenbefragung (z. B. der Behördenbetreuer und -betreuerinnen) von Interesse sein.
Die Ergebnisse von zwei im Teil 2 der Ausschreibungsunterlagen (abrufbar unter der im Punkt I.1) „Ausschreibungs- und ergänzende Unterlagen verschicken“ genannten Internetadresse) näher bezeichneten rechtstatsächlichen Studien sind zu berücksichtigen.
In das Vorhaben sollen die Länder, die kommunalen Spitzenverbände, Berufsverbände und andere Verbände, die schwerpunktmäßig mit der rechtlichen Betreuung befasst sind, einbezogen werden. Die Einrichtung eines Forschungsbeirates ist geplant.
D. Verfahrenshinweise:
Dem Teilnahmeantrag sind die unter III.2.1) und III.2.3) aufgeführten Unterlagen beizufügen.
Die Anforderungen an das später einzureichende Angebot – sofern der/die Bewerber/in zur Abgabe eines solchen aufgefordert wird – sind den Ausschreibungsunterlagen (abrufbar unter der im Punkt I.1) „Ausschreibungs- und ergänzende Unterlagen verschicken“ genannten Internetadresse) zu entnehmen.

Deadline
Die Frist für den Eingang der Angebote war 2015-08-12. Die Ausschreibung wurde veröffentlicht am 2015-06-26.

Anbieter
Die folgenden Lieferanten werden in Vergabeentscheidungen oder anderen Beschaffungsunterlagen erwähnt:
Wer?

Wie?

Geschichte der Beschaffung
Datum Dokument
2015-06-26 Auftragsbekanntmachung
2015-07-08 Ergänzende Angaben
2015-12-17 Bekanntmachung über vergebene Aufträge
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